Heute: Heuristiken
Wie man die besten Entscheidungen trifft, ist relativ klar: alle Optionen listen, alle Informationen sammeln, alle Zusammenhänge kennen, Modellieren, Vorhersagen, am besten die Zukunft und das Ergebnis vorab bereits kennen und dann entsprechend entscheiden. Leider fehlt es dazu im Alltag an Zeit (-Maschinen), Wissen und Methoden: und genau hier kommen Heuristiken ins Spiel.
Um was es geht
Heuristiken sind hilfreiche Regeln, um mit begrenzten Aufwand an Zeit, Daten und Hirnschmalz zu guten Entscheidungen zu kommen.
Der erste Gedanke ist klar: mit weniger Daten muss die Entscheidung weniger gut sein. Das ist erstaunlicherweise nur begrenzt richtig. Bei hoher Unsicherheit – sei es, weil es Faktoren gibt, die unvorhersehbar sind oder schlicht unbekannt – können Heuristiken auch besser funktionieren. In diesem Sinne sind sie in unserer VUCA Welt ideal.
Heuristiken sind im Menschen (und auch Tieren) evolutionär angelegt. Wir verwenden sie ganz automatisch. Das Gute dabei: meistens sind sie effizient und effektiv. Die andere Seite: Durch sie entstehen auch systematische Fehler und Verzerrungen. Diese „Bias“ (wie zum Beispiel das Anchoring) begegnen uns immer wieder.
Einfache Regeln können robuste Ergebnisse zielen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen einen Ball aus der Luft fangen. Wie machen Sie das? Sie könnten differentielle Gleichungen zu Flugbahn und Geschwindigkeit aufstellen und lösen. Windgeschwindigkeit messen, Unebenheiten im Untergrund analysieren und so weiter. Es reicht allerdings auch den Blick auf den Ball zu halten und so zu rennen, dass der Winkel, in dem Sie ihn sehen, gleich bleibt. Das nennt man dann die „Gaze-Heuristik“. Sie funktioniert so gut, dass sie von Adlern bei der Jagd und in der Luftabwehr verwendet wird.
Wer hier tiefer einsteigen möchte, dem sei Gerd Gigerenzers Bücher Bauchentscheidungen oder Risiko empfohlen.
Warum das wichtig ist
- Wir leben in einer komplexen Welt, mit Risiken, Unsicherheiten und einer Unmenge an Daten. In diesem Kontext hilft das Leitprinzip von Heuristiken „fast-and-frugal“ (schnell und genügsam) gute Entscheidungsregeln zu finden. Gerd Gigerenzer hat so zum Beispiel Aktieninvestments anhand der Verfügbarkeitsheuristik überprüft. Einmal baute er ein Portfolio aus Firmen, die Laien auf der Straße vom Namen her kannten. Das Vergleichsportfolio baute er nach Experteneinschätzungen. Am Ende schnitt das Laienportfolio besser ab.
- Auf Managementebene können einfache Heuristiken Engpässe abbauen. ALL, einer südamerikanischen Logistikfirma, begegnete so ihrem Investitionsstau. Sie etablierten die einfache Regel, dass Investitionen dann erlaubt sind, wenn sie einen direkten Nutzen haben, aktuelle Hindernisse beseitigen, laufende Kosten reduzieren oder bestehende Ressourcen (um-)nutzen. Mit der Etablierung dieser einfachen Logik entstanden innovative Ideen wie das Ausschlachten alter Züge, es bestand eine firmenweite Klarheit, nach welchen Kriterien Entscheidungen gefällt werden und auf regional-saisonale Anforderungen konnte schneller reagiert und schlussendlich der Umsatz verdreifacht werden. (Hier der Artikel zu Simple Rules bei ALL auf HBR).
Unterm Strich
Gute Entscheidungen sind manchmal einfacher zu fällen als wir glauben. In einer komplexen Welt ist es sinnvoll, auch weniger komplizierte und vor allem weniger aufwändige Regeln - eben Heuristiken - als Alternativen und Ergänzung zu komplexen Algorithmen zu prüfen.
Machen Sie sich klar, nach welchen Regeln Sie Entscheidungen treffen. So entdecken Sie Verzerrungen und finden die ein oder andere Regel, die besser abschneidet als komplexe Simulationen.
Chief Behavioral Officer gesucht
Wo in ihrer Organisation treffen Sie und ihre Kolleg:innen im Arbeitsalltag regelmäßig auf einen konkreten Engpass? Welche Regeln nutzen Beteiligte eigentlich - bewusst oder unbewusst? Und wie könnte eine schnelle, einfache Heuristik dafür aussehen? Fragen Sie doch einfach mal nach.
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