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16. August 2022

Knapp, Knapper, am Knappesten

Lesezeit ca. 5 Minuten

Scary Scarcity

Limitierte Auflage: Wer möchte das letzte Stück Kuchen? Das Angebot gilt nur noch zwei Stunden. Nur noch *random Number* Stück auf Lager. Öl ist knapp, Klopapier und Gas natürlich sowieso. Und wann sehe ich eigentlich mal den CEO? Den Bundeskanzler? Oder die Kinder? Nach dem Livestream oder nur hinter der Paywall auf dem letzten Platz im exklusiven Seminar? Dafür habe ich doch keine Zeit…

Um was es geht

Knappheit ist neben der tatsächlichen Verfügbarkeit von Gütern und Waren auch ein psychologisch wirksames Konzept. Wenn etwas begrenzt verfügbar ist, wird es für uns Menschen instinktiv attraktiver. Das psychologische Moment wirkt dabei egal, ob die Verfügbarkeit tatsächlich eingeschränkt ist oder die Seltenheit einen Unterschied in der Qualität macht. Die wahrgenommene Knappheit kann sich dabei auf Material, Produkt, Zeit oder Zeitfenster, Personen und was euch eben noch so einfällt beziehen. Aktuell ein besonders spannendes, knappes Gut: Aufmerksamkeit.

Im Marketing ist der Trick seit langem bekannt und wird wild und ziemlich verbraucherunfreundlich gebraucht. Bei Luxusgütern, Angeboten, Black Fridays und Cyber Mondays sind wir jedes Jahr damit konfrontiert. Davor warnt sogar die Tagesschau. Es gibt auch weitere Beispiele:

  • Beste Kekse: die Psycholog:innen haben wieder zugeschlagen. Schlimmer noch, Kekse geklaut. In einem Experiment verglichen sie Gruppen darin, wie wertvoll sie Kekse fanden. Dazu wurde einer Gruppe zehn Kekse hingestellt, der anderen nur zwei. Klar: die, die nur zwei Kekse hatten, empfanden diese als wertvoller. Als dann eine dritte Gruppe aufgemacht wurde: und zwar Leute, die erst zehn Kekse bekamen, ihnen dann aber acht werggenommen wurden – fanden die zwei Kekse am Ende am wertvollsten. (das Paper findet ihr hier). Die gefühlte Knappheit wurde also durch das Wegnehmen nochmal verstärkt: und genauso die Wahrnehmung des Werts. Dass etwas „Wegzunehmen“ auch zu anderen negativen Effekten führen kann, kennen wir bereits z.B. über den Streisand-Effekt.
  • Das 2 Millionen Dollar Album: das legendäre Rap-Kollektiv Wu-Tang-Clan produzierte ein Album “Once Upon A Time In Shaolin”. Es wurde nur ein einziges Mal aufgenommen, alle Kopien vernichtet und es dann versteigert. Wer würde sich ein Album für 2 Millionen kaufen? Ohne es je gehört zu haben? Und wie ändert sich das, wenn sie wissen: Es gibt es nur ein einziges Mal?
  • Hamsterkäufe und Spritpreise: die Auswirkungen von möglichen Gasembargos oder des Corona-Zombie-Apokalypse-Szenarios haben wir im Supermarkt alle gesehen. Leere Regale und 10 € für die Flasche Öl. Wie viel davon war tatsächliche Knappheit und welche Knappheit hat sich erst durch die gefühlte Knappheit entwickelt?

Warum das wichtig ist

Sich der Begrenztheit von Ressourcen und schlussendlich des eigenen Lebens bewusst zu sein, ist eine gute Sache. Es hilft manchmal, sich dem Wert einer Sache bewusst zu werden. Genauso schafft es im Zweifelsfall aber ein Verlangen nach etwas, dass wir weder brauchen noch uns besondere Freude macht. Nicht alles, was begrenzt ist, hat einen Wert. Nicht alles, was wertvoll ist, sehen wir in seiner Begrenztheit.

Als CBO ist man daher besonders in der Verantwortung, Knappheit und deren Wahrnehmung zu managen.

  • Produktgestaltung: limitierte Auflagen, nummerierte Prints, zeitliche Begrenzung, persönliche Zeit, außergewöhnliche Qualität: Bei allen Dienstleistungen und Produkten, die wir gestalten, ist es sinnvoll limitierende Faktoren sowohl in Produktion als auch in Marketing zu beachten. Ein guter Umgang mit Knappheit ist, wenn sie nicht künstlich geschaffen wird, sondern als elementarer Teil der Sache an sich und im Unterschied zu anderen markiert und hervorgehoben wird.
    Wo ist der Engpass? Und welchen stellen wir auf die Bühne?
  • Wettbewerbsrecht: Nicht nur produktionsbezogen - auch rechtlich sollte man achtsam mit Knappheit arbeiten. Bei Countern auf Websites („nur noch 2 verfügbar“) muss sichergestellt werden, dass die Angabe auch stimmt. Genauso müssen Angebote auch „im ausreichenden Maße“ verfügbar sein und „Lockvogelangebote“ (die zwar schön aussehen, aber gar nicht verfügbar sind) sind sogar EU-weit verboten.
    Stimmen unsere Angaben und halten wir, was wir versprechen?
  • Ressourcen in der Organisation: Menschen, Zeit und Material sind begrenzte Güter in einer Organisation.
    • Meetings werden oft als unproduktiv wahrgenommen. Vielleicht auch, weil sie zu häufig stattfinden. Es gibt Firmen, die erlauben Meetings nur an einem Tag – und prompt wird achtsamer mit der wertvollen, knappen Zeit umgegangen.
      Sind Ihre Meetings selten? Nehmen alle an jedem Meeting teil, oder achten Sie welche wertvolle Person es in diesem Fall braucht?
    • Überhaupt Verfügbarkeit: Gerade in Zeiten von Homeoffice und Remotework ein Thema, das uns alle betrifft. Ständig verfügbar sein, entwertet die eigene Zeit. Bewusst mit der eigenen Zeit umzugehen hilft auch anderen sorgsam damit umzugehen.
      Haben Sie schon ein festes Zeitfenster, um verfügbar zu sein? Und klare Zeiten, in denen Sie das nicht sind? Was macht das mit Ihnen Selbst und in der Wahrnehmung von anderen?
    Work expands so as to fill the time available for its completion. // Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht. (Parkinsonsche Gesetz).
    • Aufgaben gibt es immer wie Sand am Meer. Bei der Priorisierung (z.B. durch die Eisenhower Matrix) finden man schnell Orientierung, welche denn wirklich anstehen. Es bleiben dennoch viele Aufgaben, die da stehen. Nur die Zeit bleibt begrenzt. Dann hilft noch ein weiterer Trick: TimeBoxing hat sich als wirksames Mittel herausgestellt, um Aufgaben zu erledigen. Vorab wird festgelegt, wie lange eine Aufgabe in Anspruch nehmen soll. Und siehe da: oft passt es genau.
      Achten Sie auf die Menge an Aufgaben, die sie übernehmen? Achten Sie auf die Zeit, die sie einer Aufgabe widmen? Und achten Sie darauf, wie viel ihr auch wirklich angemessen ist? Ist dieses Mitarbeitergespräch zum Beispiel wirklich nur 5 Minuten wert?

Unterm Strich

Knappheit und deren Wahrnehmung sind Alltag. Die Wahrnehmung auf den Prüfstand zu stellen, kann uns sowohl von falschen Kaufentscheidungen bewahren, als auch helfen achtsamer umzugehen, mit dem, was uns gegeben ist: den Ressourcen der Organisation, des Planeten, unserer Mitmenschen und nicht zuletzt unsere eigenen. Manchmal hilft etwas knappzuhalten, um den eigentlichen Wert erst zu sehen.

Denn Hand auf s Herz: wir brauchen weder das letzte Stück Kuchen, das Treffen mit Scholz, ExklusivWebinare noch die Dinge hinter den Paywalls: manchmal ist es die Zeit, die wir mit lieben Menschen verbringen, die wirklich knapp und wertvoll ist.


Chief Behavioral Officer gesucht

Was oder wer ist in Ihrer Organisation ein knappes Gut? Und welches wird nur so dargestellt? Was wird mehr in seinem Wert wahrgenommen, wenn Sie sich seiner Begrenztheit bewusst wird? Und wie können Sie die wahrgenommene Knappheit gut steuern?

hello world!
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Amadeus Pachmann

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