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14. März 2023

Du machst mich wahnsinnig!

Lesezeit ca. 4 Minuten

Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen."

„Du machst mich wahnsinnig!“, hat Lady Almquist nie zu ihrem Mann gesagt.

Auf die Idee ist sie überhaupt nicht gekommen.

Wie auch?

Um was es geht

„Schatz, das musst Du wieder verlegt haben. Komm, Liebling, ich helfe Dir suchen.“

Er ist so gut zu ihr. So verständnisvoll.

„Schau mal, dieses schwankende Licht in der Nacht und das Poltern im leeren Haus. Das ist doch nur da, wenn ich nicht da bin, stimmt’s?“

Sie nickt verzagt, hält sich an seinem Ärmel fest. „Ja, es ist schrecklich. Unheimlich! Ich habe Angst.“

„Aber, wenn es wirklich passieren würde, dann würde ich das doch auch irgendwann einmal merken, das ist Dir doch klar, mein Täubchen? Das ist Dir doch klar?“

Lady Almquist ist dankbar für ihren liebevollen Mann. Sie weiß, es ist nicht wahr, weil es ja gar nicht wahr sein kann, was immer nachts passiert, wenn er nicht im Hause ist. Sie weiß auch, dass sie in letzter Zeit immer unbewusst Dinge an den abstrusesten Orten versteckt, ohne sich später daran erinnern zu können. Wie oft hat ihr liebender Gatte schon kopfschüttelnd Sachen an den seltsamsten Orten gefunden. Er macht ihr keine Vorwürfe. Fällt sie ihm zur Last? Was ist nur los mit ihr? Wird sie jetzt verrückt?

„Ach Liebes, Deine Nerven. Leg Dich doch noch etwas hin.“

Warum das wichtig ist

Lady Almquist ist ein Opfer von Gaslightning geworden.

Diese besonders perfide Masche der psychologischen Kriegsführung ist nach dem Titel des Theaterstückes Gas Light von 1938 benannt. Die 1944 gedrehte Verfilmung Das Haus der Lady Alquist machte den Begriff weltbekannt.

Der Begriff Gaslightning, seit den 1960er Jahren auch in der psychologischen Fachliteratur etabliert, beschreibt eine Form von psychischer Gewalt, mit der das Opfer gezielt manipuliert und desorientiert wird. Es geht darum, das Opfer so sehr zu verunsichern, dass es seiner eigenen Wahrnehmung und Erinnerung nicht mehr traut.

Der angeblich so liebevolle Gatte selbst war es, der nachts auf dem Dachboden herumgeisterte, polterte und mit dem Gashahn herumspielte, sodass in der Wohnung unheimliche Effekte entstanden.
Er war es auch, der wichtige Briefe und andere Gegenstände versteckte, um seiner Frau weismachen zu können, sie tue Dinge, an die sie sich später nicht erinnern könnte.

Das Motiv? Geld! Er wollte ihren wertvollen Schmuck. Dafür sollte sie für unmündig erklärt und weggesperrt werden.

Nicht nur im privaten Umfeld kommt Gaslightning vor.
Auch in Unternehmen lässt sich diese gemeine Mobbingmethode beobachten.

„Habe ich das wirklich gesagt? Ich erinnere mich doch! Ich habe etwas ganz anderes gesagt! Oder kommt mir das nur so vor? Denke ich nur jetzt, im Nachhinein, ich hätte das andere sagen sollen? Bilde ich mir deshalb ein, ich hätte wirklich das andere gesagt?“

Und „Ich habe doch den Bericht nicht unter das Faxgerät geschoben! Dafür hätte ich ihn aus der Mappe nehmen müssen. Warum hätte ich das tun sollen? Ich war doch mit der Mappe nicht einmal in der Nähe des Faxgerätes? Oder? Es ist mein Bericht. Niemand hatte einen Anlass, ihn aus der Mappe zu nehmen. Die lag doch auch die ganze Zeit bei mir, auf meinem Schreibtisch! Schon wieder! Zum Glück hat es der Chef nicht mitgekriegt. Wie lange kann ich das noch geheim halten? Was ist bloß los mit mir?“

Gaslightning kann in Unternehmen so planvoll und gezielt durchgeführt werden, wie im Theater, und aus ähnlichen Motiven.
Der Täter mag einen unliebsamen Kollegen loswerden wollen, oder die verstopfte Karriereleiter lichten, um schneller aufrücken zu können.

Nicht immer läuft der Angriff so zielgerichtet und planvoll. Gaslightning kann auch Bestandteil von allgemeinem, spontanem Mobbing sein, um einen ungeliebten Kollegen zu verunsichern und dumm da stehenzulassen.

Lady Almquist wurde übrigens gerettet. Sie kam ihrem Mann in letzter Minute auf die Schliche und konnte sich persönlich und gesellschaftlich vollständig von diesem widerwärtigen Anschlag erholen.

Unterm Strich

Unser Gehirn tut alles dafür, dass wir ein durchgängiges, in sich stimmiges Selbst- und Weltbild haben. The principle of consistency and the cause and function of behaviour

Wir sind in einer Welt, die wir nicht zuverlässig erkennen können, weil wir uns auf unsere eigenen Sinne und Erinnerung nicht verlassen können, vollkommen aufgeschmissen. Das ist gruseliger und entsetzlicher als alles, das wir in unseren schlimmsten Alpträumen von Angesicht zu Angesicht bekämpfen.

Wir alle müssen damit zurechtkommen, kognitive Verzerrungen durch die uns angeborenen Biases zu erleben. Da das aber erstens alle Menschen betrifft und zweitens eher dafür sorgt, dass wir mehr Konsistenz erleben, als weniger, kriegen wir das hin, besonders, wenn wir uns über die bekannten Biases informieren und dadurch in der Lage sind, den schlimmsten Konsequenzen vorzubeugen.

Die Weltliteratur hat noch weiteren hochinteressanten psychologischen Effekten einen Namen gegeben. Wir werden in nächster Zeit einigen davon begegnen.

Außerdem bereiten wir etwas Einzigartiges vor.
Was genau, verraten wir noch nicht.



Chief Behavioral Officer gesucht

Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?

Wir sehen uns kommenden Dienstag.

Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.

hello world!
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Lita Hagen

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