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18. April 2023

Verkaufspsychologie: Mentale Konten nutzen!

Lesezeit ca. 5 Minuten

Guten Morgen. Starten wir gemeinsam in diesen Dienstag. Denn wie immer gilt auch heute wieder: "Es ist durchaus möglich, sowohl rational zu sein als auch falsch zu liegen." Unser Werkzeug eines Chief Behavioral Officers heute:

Mentale Kontenführung

Meine Mutter war bereit, Geld für einen Kinobesuch rauszurücken, wenn es sich bei dem Film um eine Literaturverfilmung oder ein lehrreiches Historienstück handelte. Bildung der Tochter also. Dafür hatte sie ein gut gefülltes mentales Konto.
Leider ist es mir nie gelungen, sie vom pädagogischen Wert von Godzilla und James Bond zu überzeugen, weshalb ich solche Ausgaben des schieren Freizeitvergnügens von meinem Taschengeld berappen musste.

Ein Mensch, der zehn Euro verloren hat, ist eher bereit, sich für zehn Euro eine Konzertkarte zu kaufen, als jemand, der bereits eine Konzertkarte hatte und diese verloren hat.
Während der Erste nur allgemein ein wenig ärmer geworden ist, hatte der andere sein Budget für Konzertbesuche bereits mit dem Kauf der verlorenen Karte erschöpft.

In Zahlen:
Im ersten Fall würden 54% der Menschen keine neue Karte kaufen.
Im zweiten Fall würden 12% keine neue kaufen.

Wie funktioniert das? Science, baby!

Objektiv betrachtet, ist die Grundsituation, in der sich die beiden verhinderten Konzertbesucher befinden, identisch, doch der CBO weiß es besser.

Wir haben mentale Konten für sämtliche Lebensbereiche.
Freizeitvergnügen, Wohnen, Essen, Kleidung, Bildung, Kultur, Sport, Gesundheit, Kinder, Geburtstage, Körperpflege, Haushalt, finanzielles Polster, Weihnachten, Auto, Haustier, Beruf, Urlaub, wohltätige Zwecke, um einige zu nennen.

Das, was uns am wichtigsten ist, bekommt das größte Budget.

Ist ein Konto leer, weil wir schon alles an Zeit, Geld, Arbeit in diesen Bereich investiert haben, sind wir nur sehr widerwillig bereit, weiteren Aufwand in dieser Kategorie zu betreiben.

Verraten Sie uns, welchem mentalen Konto Sie unseren Newsletter zuordnen?

Warum das wichtig ist

Wenn es Ihnen gelingt, Ihrer Mutter ihren Kinobesuch als Bildung zu verkaufen, oder Ihrem Chef ihr spannendes Projekt als strategische Investition, erhöht das Ihre Chancen gewaltig.

Strategie ist Must-have und hat in der Regel gut gefüllte mentale Konten in den Köpfen der Finanzverantwortlichen. Die Konten für “Wohlfühlgedöns” und sonstige Benefits werden meist weniger großzügig ausgestattet und sind schnell leer.

Was bedeutet das für Ihr Marketing?

Stellen Sie sich vor, sie verkaufen Sportschuhe.
Hat Ihr Kunde sich vor Kurzem erst ein Sportgerät gekauft, ist sein mentales Konto für Sport vielleicht schon erschöpft. Etwas Modisches zum Anziehen allerdings hat er sich schon länger nicht mehr gegönnt. Eignet sich ihr Schuh nicht auch für die Vervollkommnung seines lässig eleganten Freizeitlooks?
Geben Sie ihrem Kunden die Möglichkeit, seine Ausgaben bei Ihnen, auf einem seiner noch nicht erschöpften Konten zu verbuchen. Bewerben Sie Ihren Sportschuh sowohl als Sportartikel als auch als modisches Highlight oder sogar als Statement zur persönlichen Weltanschauung.

Und wenn Sie schon dabei sind, verkaufen Sie ihm auch noch die super-schicken Schnürsenkel und das Spezial-Pflegeprodukt dazu, denn einzeln käme Ihr Kunde nicht auf die Idee, so einen Schnickschnack zu kaufen. Er hat kein Budget für Schnickschnack! Jetzt aber, da es zum Schuh gehört, für den er sich bereits entschieden hat, weil der Budgettopf, aus dem er finanziert werden wird, noch Kapazität hat, erscheint es vernünftig, den Kauf vollständig zu tätigen.

Vielleicht bieten Sie einen Onlinekurs zum privaten und beruflichen Zeitmanagement an.
Was ist das für eine Kategorie? Persönliche Bildung? Persönlichkeitsentwicklung? Live-Hack? Karrierebooster?
Wie wäre es mit Freizeit, mit Familie?
Schließlich will Ihr Traumkunde etwas mit seiner Zeit anfangen, was ihm persönlich sehr wichtig ist. Hat er letzthin schon Geld für sein Hobby ausgegeben? Sehnt er sich nach mehr Qualitytime mit seiner Familie? Er kann sich jetzt Zeit dafür einkaufen. Endlich das machen, was ihn wirklich erfüllt.

Finden Sie heraus, wofür Ihr Kunde seine hinzugewonnene Zeit nutzen möchte, lassen Sie sein möglicherweise mageres Budget für persönliche Bildung liegen und sorgen Sie dafür, dass die Investition Ihres Kunden aus einem großen, vollen Topf getätigt wird.

Jetzt, wo wir ein wenig in Übung sind, fällt es leichter, sich scheinbar irrationales Verhalten diverser Marktteilnehmer zu erklären.

Öffentliche Verkehrsmittel werden als teuer empfunden, weil wir jedes Mal unser Fahrkartenbudget angreifen müssen, wenn wir irgendwohin wollen. Viel teurer als das Bisschen Benzin für das Auto.
Die Tatsache, dass unser Auto nicht nur Benzin schluckt, sondern auch versichert, gewartet, gewaschen, repariert und besteuert wird, fällt nicht so sehr auf, weil Tankrechnungen aus einem anderen Budget bezahlt werden als Reparaturen, Reifen, Versicherungen, Steuern und die übrigen Ausgaben. Außerdem sind diese Ausgaben zeitlich von der Autofahrt entkoppelt.

Brautpaare geben Unsummen für ihr Hochzeitsessen und Dekoration aus, sparen dann aber schlimm bei der Musik und gefährden damit die ganze Stimmung.

Menschen geben Tausende von Euros für ihren New York Urlaub aus und stehen dann aus Sparsamkeit stundenlang an, um auf eine Aussichtsplattform zu gelangen, zu der man gegen ein paar Dollar Aufpreis unverzüglich mit dem Expresslift gelangen könnte.
Würden Sie das auch tun? Rechnen Sie einmal aus, wie viel Geld eine Stunde New York Sie kostet.

Und jetzt?

Mentale Konten sind nützlich. Sie erlauben uns, mehrere konkurrierende Ziele zu verfolgen und Ressourcen sinnvoll zuzuteilen. Sie können jedoch auch dazu führen, dass wir finanzielle Entscheidungen treffen, die nicht in unserem Sinne sind.

Denken Sie gerade über eine Ausgabe oder Investition nach?
In welche Kategorie fällt diese?
Prüfen Sie, ob sich ihre Einschätzung ändert, wenn Sie probehalber die Kategorie wechseln!

Zum Beispiel Mitarbeiterschulungen:
Sind das für Sie Mittel, die Produktionskosten zu senken?
Die Innovationsquote zu steigern?
Den Krankenstand zu senken?
Ihre Corporate Identity zu schärfen?
Den Informationsfluss zu entsperren?
Oder ist es eher Employerbranding?
Gehört zum PR-Budget? HR? Downstream-Optimierung?
Oder haben Sie ein mentales Konto namens „Mitarbeiterschulungen“, in das sie alles hineinpacken, was von Bildungsträgern kommt, ungeachtet der Art des erwarteten Nutzens der Aktion?

Möchten Sie, dass Ihr Kunde eine Ausgabe bei Ihnen tätigt?
Finden Sie heraus, welchem mentalen Konto Ihres Kunden Ihr Angebot zugeordnet werden muss, damit der Kauf machbar und vernünftig erscheint.

Wechseln Sie die Kategorie, um Ihr Produkt besser zu verkaufen!

„Wohnst Du noch, oder lebst Du schon?“ (IKEA)
Leben ist eine größere und wichtigere Kategorie, mit viel mehr Budget als Wohnen.

Kennen Sie jemanden, für den das gerade spannend wäre?

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Unterm Strich

Prüfen Sie vor jeder wichtigen Entscheidung über Ausgaben und Investitionen, welches ihrer mentalen Konten Sie damit belasten würden und ob ein Wechsel der Perspektive und damit des mentalen Budgettopfes ihre Einstellung verändert.

Wenn Sie Geld von Ihrer Firma für Ihr lohnendes Projekt locker machen möchten, wenn Sie ein Produkt verkaufen oder Spenden einsammeln wollen, wenn Sie Ihren Lebenspartner von Ihrer erhofften Anschaffung überzeugen wollen, adressieren Sie den richtigen Budgettopf!

Wenn Sie möchten, dass die Leute in Ihrem Verein mit anpacken und Zeit und Energie für einen Arbeitseinsatz aufwenden, adressieren Sie den richtigen Budgettopf! (Letztes Mal war es für unsere Sicherheit, jetzt geht es um den Spaß, um unsere Bequemlichkeit, unsere fröhliche Gemeinschaft, den Ruhm der Meisterschaft, um unsere Familien beim Sommerfest.)

Wenn Sie sich selbst dazu bringen möchten, eine gute Gewohnheit anzunehmen, zahlen Sie damit auf ein mentales Konto ein, das Ihnen sehr am Herzen liegt, und in das Sie freudig viel Energie stecken werden. Das hilft Ihnen, lange genug durchzuhalten, bis sich die neue Gewohnheit etabliert hat.

Vielen Dank, dass Sie bis hier her gelesen haben! Wir wissen Ihren Einsatz an Zeit, Aufmerksamkeit und Hirnschmalz für unseren CBO-Nugget sehr zu schätzen.


Chief Behavioral Officer gesucht

Wo werden täglich Managemententscheidungen getroffen, die immer noch vom logisch handelnden Menschen ausgehen? Wo können Sie diese Woche selbst ein Chief Behavioral Officer sein?

Wir sehen uns kommenden Dienstag.

Wenn Sie uns Tipps oder Feedback senden möchten, dann schicken Sie uns eine E-Mail an redaktion@cbo.news. Vielen Dank.

hello world!
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Lita Hagen

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